Provozierter Betrug
News Team, 29.09.2015

FUSSBALL Die SG Reußen setzte einen 17-Jährigen ein - das war verboten. Doch selbst der Landesverband hat erkannt, dass diese Regelung nicht mehr zeitgemäß ist.
VON KARL EBERT
REUSSEN/MZ - Lukas Herrmann lehnte am Samstag am Geländer des Sportplatzes von Reußen (Saalekreis). Eingekleidet in Aufwärmgarnitur, so wie die Spieler der Landesklasse-Elf der SG Reußen. Das macht er immer so. Er will dazu gehören. Doch als seine Teamkollegen zum Punktspiel gegen Rotation Halle (1:2) auf den Platz liefen, blieb der 17-Jährige draußen. Er musste.
Herrmann stand zuletzt im Mittelpunkt eines Betrugsfalls. In der Partie beim SV Spora (1:1) vor einigen Wochen war er unter falschem Namen eingewechselt worden. Hintergrund: Die Jugendspielordnung des Landesverbandes Sachsen-Anhalt (FSA) verbietet den Einsatz von 17-Jährigen in Männermannschaften. Doch die Reußener lagen beim SV Spora mit 0:1 im Hintertreffen und waren nach einer Gelb-Roten Karte auch noch in Unterzahl. Als ein weiterer Spieler verletzt vom Platz musste und der einzige Wechselspieler sich beim Warmlaufen ebenfalls eine Zerrung zugezogen hatte, kamen die Verantwortlichen auf die Idee, Lukas Herrmann, der als Zuschauer mitgekommen war, einzusetzen - unter dem Namen des etatmäßigen Wechselspielers. Herrmann schoss in der Nachspielzeit sogar den Ausgleich zum 1:1.
SG räumt Fehler ein
Die Reußener stehen zu ihrem Fehler, was in diesem Geschäft beileibe nicht alltäglich ist. "Wir hätten Lukas nicht einwechseln dürfen, denn er ist erst ab seinem 18. Geburtstag im April spielberechtigt", sagt Abteilungsleiter Lutz Richter. Er weiß: Der gewonnene Punkt wird aberkannt.
Doch zugleich kritisiert er die Regelung in der Jugendspielordnung des FSA - und steht damit nicht allein da. Nach MZ-Informationen arbeitet eine Arbeitsgruppe bereits daran, die umstrittene Regel zu ändern.
Worum geht es genau? In Paragraf 11, Absatz 2c regelt der Landesverband, dass 17-Jährige nur dann im Männerbereich spielen dürfen, wenn sie mindestens zwei Jahre im Verein sind. Genau das war im Fall Lukas Herrmann nicht der Fall, er kickte zuvor in der A-Jugend des Halleschen FC.
Die Regel hat ihren guten Grund. Lutz Rachholz vom FSA-Jugendausschuss erklärt: "Es gab Vereine, die keine A-Junioren hatten. Die haben dann mit ein paar Euro bei anderen Klubs gewildert und gesagt: ,Bei uns könnt ihr mit 17 Jahren bereits bei den Männern spielen.' Damit haben sie die Nachwuchsarbeit der anderen Vereine torpediert. Dem wollten wir einen Riegel vorschieben."
Alle waren einverstanden
Im Fall der SG Reußen konnte aber von Wildern keine Rede sein. Der Verein legte, um einen Einsatz Herrmanns im Männerbereich zu erwirken, das schriftliche Einverständnis von Lukas Eltern vor, die Bescheinigung eines Sportarztes und sogar die ausdrückliche Freigabe des vorherigen Vereins. Trotzdem: Es führte kein Weg zu einer Spielgenehmigung in Sachsen-Anhalt, obwohl die Jugendordnung des Deutschen Fußball-Bundes das durchaus erlaubt hätte. "Besteht für A-Junioren des jüngeren Jahrgangs keine altersgerechte Spielmöglichkeit im eigenen Verein, kann der Jugendausschuss eine Erlaubnis für die Männer-Mannschaft erteilen", heißt es da.
Was bleibt, ist ein Betrugsfall, der hätte verhindert werden können, wenn der Einzelfall und nicht nur die Paragrafen angeschaut worden wären. Und was bleibt, ist eine Regelung, die in einem Bundesland mit Nachwuchsmangel eher kontraproduktiv scheint. Also räumt Rachholz ein: "Wir arbeiten genau an diesem Punkt."
Konkret beschäftigt sich aktuell die "Arbeitsgruppe Ordnung und Satzung" des FSA mit diesem Passus der Jugendordnung. Was wohl nichts anderes heißt, dass es diese Regelung in der neuen Saison so nicht mehr geben wird.
Lukas Herrmann hilft das nicht. Er wurde nach dem Vorfall von Spora gesperrt. Betrug bleibt nun einmal Betrug. Auch wenn er vom System geradezu provoziert war.
"Wir hätten Lukas nicht einwechseln dürfen."
Lutz Richter
Abteilungsleiter SG Reußen
Quelle:MZ