Selbst das Wetter: Very british
News Team, 09.05.2019

WÖRLITZ/MZ Drei Schaufeln Erde auf die Echte Mehlbeere, versiert mit einem nagelneuen Spaten angehäuft, dann ist die Baumpflanzung auch schon erledigt. Den einen Baum pflanzt Prinz Charles, den anderen bekommt der britische Thronfolger von Ministerpräsident Reiner Haseloff geschenkt. Einen „Grandsontree“ nennt Sachsen-Anhalts Landeschef die „German Eiche“. Sie soll als Präsent für den royalen Nachwuchs nun den Weg nach Großbritannien nehmen, denn „ausreichend Strampler und Lederhosen haben Sie ja schon von meinen Kollegen bekommen, von uns kriegen Sie was Wetterfestes“, meint Haseloff. Der royale Besuch im Wörlitzer Park lacht.
Parkstadt in Vorfreude
Als gegen 18 Uhr am Mittwoch die Mehlbeere geerdet ist und sich beim Besuch von Prinz Charles im Wörlitzer Park alles reichlich verzögert hat, haben sich so manche an diesem Tag schon die Beine in den Bauch gestanden. Seit dem frühen Nachmittag ist die Parkstadt in ziemlicher Aufregung und Vorfreude. Königliche Gäste gab es hier schon einige, aber dass nun auch ein Mitglied des englischen Königshauses den ersten englischen Landschaftsgarten auf dem europäischen Kontinent besucht, ist dann doch etwas Besonderes.
„Ich habe ihn ja damals überredet, die Schirmherrschaft zu übernehmen. 1996 war das“, erzählt jemand, der es ganz genau wissen muss. Prinz Eduard von Anhalt sitzt einige Zeit vor dem Eintreffen seines Cousins und dessen Entourage auf einer Bank nahe der Gondelstation. Die britische Botschaft hat den Verwandten, dessen Vorfahr Fürst Franz von Anhalt den Park anlegen ließ, eingeladen. „Auf Bitte von Prinz Charles“, betont von Anhalt.
Dann kommt er ins Grübeln, ob es eigentlich schon jemals einen königlichen Besuch aus Großbritannien in Wörlitz gab. Er und sein Begleiter, Kunsthistoriker und Anhalt-Spezialist Carl Ludwig Fuchs, einigen sich, dass dies wohl Ende des 19. Jahrhunderts gewesen sein könnte, im Umfeld der Hochzeit von Prinz Aribert von Anhalt. Der ehelichte 1891 Marie Louise von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, eine Enkelin der britischen Königin Victoria. „Das ist doch eine tolle Werbung für das Gartenreich, und hier ist er ja auch in seinem Element“, findet der Verwandte aus Anhalt. Den Besuch wertet er auch als wichtiges Zeichen in Zeiten des Brexits. Der ist an diesem Nachmittag in Wörlitz freilich nicht das Thema, die deutsch-englischen Beziehungen aber schon. Ein Bundestagsabgeordneter lässt Fähnchen verteilen, 100 Stück beider Länder. Die reichen längst nicht für all die Schaulustigen, die sich schon Stunden vor dem Eintreffen des Prince of Wales einfinden.
Aus Wittenberg sind Uschi und Regina gekommen und harren geduldig schon ab 14 Uhr auf einer Bank nahe dem Schloss aus. „Wir haben es im Radio gehört und uns auf den Weg gemacht. Mal schauen wie sich unser Land präsentiert“, sagt eine der Rentnerinnen. Da ahnt sie noch nicht, dass sie lange warten muss. Gut eine Stunde später als geplant treffen die Besucher gegen 17 Uhr am Schloss ein.
Polizei hilft Kita-Kindern
Kindergärtnerin Anne Dahlke hat da die ganze Kinderschar der „Villa Sonnenschein“ noch einmal hinters Schloss zum Austoben auf die Wiese geschickt. Die Polizei hält derweil die besten Plätze gleich hinter der Absperrung für die Mädchen und Jungen frei. Das Guten-Morgen-Lied der Kita hört der adlige Gast dann noch und schon geht es über den roten Teppich hinein ins Schloss und an die Goldenen Bücher.
Mit der Gondel setzen Prinz, Ministerpräsident, Stiftungschefin Brigitte Mang und all die vielen Begleiter des Protokolls schließlich zum Gotischen Haus über und marschieren durch Schochs Garten zum Mehlbeerbaum. Dort warten bereits Bürgermeister Maik Strömer, Clemens Birnbaum, Intendant des halleschen Händelfestes, und Guido Puhlmann, Leiter des Biosphärenreservates. Sie hat das Protokoll für kurze Gespräche mit Prinz Charles ausgewählt, Geschenke werden überreicht.
Das Ehepaar Rosemarie und Wolfgang Gernert aus Rügen hat an diesem Tag wie immer einen Stopp in Wörlitz eingelegt. Das machen sie immer, wenn sie mit dem Camper zwischen der alten Heimat Würzburg und Rügen unterwegs sind. Sie haben sich schon Stunden vor Prinzenankunft die einzige Bank in Baumnähe gesichert. „Das ist ein Traum, besser als jedes Kino“, findet Wolfgang Gernert, der das Treiben mit großem Spaß beobachtet. Im Wohnmobil gibt es am Abend reichlich Gesprächsstoff. Prinz Charles ist da schon längst wieder auf der Autobahn in Richtung Berlin unterwegs. 18.30 Uhr setzt sich die Motorradstaffel der Polizei an der Spitze des Fuhrparks am Schloss in Bewegung. Nun setzt auch der feine Landregen ein, der schon länger am Himmel drohte. Very british!
Quelle:MZ