Land unter in Holland
News Team, 15.10.2015

EM-QUALIFIKATION Nach dem Verpassen der Endrunde prasselt harsche Kritik auf die Nationalelf der Niederlande herab - und auch viel Häme.
AMSTERDAM/DPA/SID - Robin van Persie lief eine Runde in der Amsterdam Arena. Sehr lange und ganz allein. Fast schien es ein vorzeitiger Abschied des 32-Jährigen von den Fans und von Oranje. Das Bild am Dienstagabend stand symbolisch für das Entsetzen über das Debakel der EM-Qualifikation und zugleich für die große Ratlosigkeit: Wie geht es nun weiter? Die 2:3-Niederlage der niederländischen Fußball-Nationalmannschaft gegen Tschechien war der Tiefpunkt in einer desaströs verlaufenen Qualifikation. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren findet eine EM ohne die Niederlande statt.
"Schande", "Oranje ist der Witz von Europa", "Bei Oranje ist alles kaputt", lauteten gestern die Urteile der heimischen Zeitungs-Kommentatoren. Das "Algemeen Dagblad" sah in Amsterdam "Verzweiflung, Fehler, Ohnmacht". Von der Mannschaft, die 2014 noch unter dem damaligen Trainer Louis van Gaal bei der Weltmeisterschaft in Brasilien Dritte wurde, ist nichts mehr übrig, urteilte "De Volkskrant": "In der Arena vollzog sich die endgültige Demaskierung der niederländischen Mannschaft, eine bittere Parodie auf den Totalfußball, ein mitleiderregendes Sportteam." Die Anhänger wurden drastischer. "Die Spieler sind mehr mit ihrer Frisur beschäftigt als mit dem Ball", twitterte ein Fan. "Wir sind auf dem Niveau von Andorra", spottete ein Jan-Willem im niederländischen Radio.
Experten fordern einen kompletten Neuanfang. Dazu gehört für viele auch ein Personalwechsel, sowohl beim Fußballbund KNVB als auch auf der Trainerbank. Doch davon will der Verband (noch) nichts wissen. "Wir müssen aufbauen", forderte KNVB-Direktor Bert van Oostveen. "Wir müssen nach vorn schauen. Ich habe nicht die Absicht, zurückzutreten. Ich werde weitermachen mit meiner Arbeit", betonte Bondscoach Danny Blind.
Doch die Oranje-Zukunft sieht rabenschwarz aus. Die Frage ist auch, ob ein Personalwechsel daran etwas ändern kann. Die Probleme, so analysiert "De Volkskrant", sind groß: "Fußball, Coaching, Widerstandskraft, Duell-Stärke, Technik, Kreativität, eigentlich überall." Das ist bis zur Qualifikation für die WM in Russland 2018 nicht gelöst. Die Zweifel sind groß, dass die Niederlande in der Gruppe mit unter anderem Frankreich und Schweden ein WM-Ticket lösen können. "Bereitet euch darauf vor, dass Oranje erst 2020 wieder bei einem Endturnier dabei sein wird", warnte das "Algemeen Dagblad".
Es ist zweifelhaft, ob erfolgreiche und erfahrene Spieler wie Bayern-Stürmer Arjen Robben, Wesley Sneijder oder van Persie noch lange dabei sein werden. "Mein Herz weint", sagte van Persie, der mit einem Eigentor in bester Slapstick-Manier für das zwischenzeitliche 0:3 sorgte. Die ganze Qualifikation mit mehr Pleiten als Siegen sei ein einziges "Weltuntergangsszenario" gewesen: "Es war schrecklich." Und Schalkes Angreifer Klaas-Jan Huntelaar meinte selbstkritisch: "Das ist dramatisch. Alles in allem hat die Qualität gefehlt. Ich weiß nicht, ob das das Ende einer Generation ist", sagte er in Amsterdam.
Doch was käme danach? Die vielen jungen Spieler waren dem Druck nicht gewachsen. Und große Talente sind nicht zu erkennen.
"Ich habe nicht die Absicht, zurückzutreten."
Danny Blind
Nationaltrainer
EM-TEILNEHMER
Fünf Debütanten
Qualifiziert für die EM 2016 sind bisher folgende 20 Teams:
Albanien*
Belgien
Deutschland
England
Frankreich (Gastgeber)
Island*
Italien
Kroatien
Nordirland*
Österreich
Polen
Portugal
Russland
Rumänien
Schweiz
Slowakei*
Spanien
Tschechien
Türkei
Wales*
* Debütanten
Acht Mannschaften spielen in den Playoffs um die vier verbliebenen Startplätze. Die Uefa gab gestern die Setzliste für die Auslosung am Sonntag (12.20 Uhr) bekannt. In der K.o.-Runde treten Mannschaften aus unterschiedlichen Töpfen gegeneinander an.
Gesetzte Teams:Bosnien-HerzegowinaSchwedenUkraineUngarn
Nicht gesetzte Teams:DänemarkIrlandNorwegenSlowenien
Die Hinspiele sind für den 12. bis 14. November terminiert, die Rückspiele sollen am 15. bis 17. November ausgetragen werden.
Quelle:MZ