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"Es ist beängstigend"

Lars Ries, 12.08.2015

"Es ist beängstigend"

FUSSBALL Fans beleidigen mit "dummen Sprüchen" Asylbewerber.

VON MICHAEL HÜBNER

GRÄFENHAINICHEN/MZ - Marc Miseler versorgt auf der Homepage des VfB Gräfenhainichen die Fußballfans mit den neuesten Nachrichten. Dabei schaut der Vizechef des Traditionsclubs - und das schafft nicht jeder Verein - auch über den eigenen Tellerrand hinaus. So hält der "Chefredakteur" seine Internet-Leser sehr aktuell auch über die Ereignisse im Jerichower Land auf dem neuesten Stand. Da besteht ein Verein fast komplett aus Rechtsextremisten, die Gegenspieler schlagen und Schiedsrichter bedrohen. "Es ist schon beängstigend, was da abläuft", sagt Miseler dazu.

Super-Typen in der VfB-Elf

Sein Verein integriert mit Erfolg Asylbewerber aus Friedersdorf. "Natürlich", räumt VfB-Präsidentin Cornelia Kuhnert ein, "gab es auch bei uns große Skepsis." Inzwischen habe sich da aber ein großer Wandel vollzogen. "Das sind doch Super-Typen, wurde mir jetzt gesagt. Über diese Einschätzung habe ich mich sehr gefreut", sagt die Politikerin, die für die FDP im Gräfenhainichener Stadtrat sitzt. Es funktioniere aber noch nicht alles reibungslos - besonders bei Auswärtsspielen. "Die Zuschauer sind das Problem", sagt Kuhnert.

Zum Eklat kommt es trotzdem in der untersten Liga. Als ein damals 19-jähriger Vietnamese von der VfB-Reserve zweimal von seinem Gegenspieler beleidigt wird, bittet der Kicker den Referee um Hilfe. Die wird - "Nimm es nicht so schwer" - verweigert. "So was habe ich noch nie erlebt", sagt der junge Mann später zur Presse. Er hat den Rasen verlassen. Seine Mitspieler folgten ihm solidarisch. Die Nummer ist allen Beteiligten vor Ort peinlich. Auf dem Spielberichtsbogen - und Juristen nennen das Urkundenfälschung - wird nichts vermerkt. Ganz im Gegenteil. Die Partie gilt als ordnungsgemäß durchgeführt.

Aber als Kuhnert von den Ereignissen hört, ist sie empört und macht den Vorfall öffentlich. Sie scheint Unterstützung zu erhalten. "Der Tatbestand der rassistischen Beleidigung verstößt gegen die Spielordnung des Landesfußballverbandes und muss geahndet werden", sagt ein Sportrichter aus Magdeburg der MZ. Der Fall geht durch alle Sportinstanzen. Verdonnert zu einer Geldstraße wird schließlich auch der VfB "wegen vorsätzlich verursachtem Spielabbruch und Unsportlichkeit". "Seit dem", sagt Kuhnert, "ist aber so etwas nicht mehr passiert."

Udo Pfeifer bleiben ähnliche Episoden erspart. Der Fußball-Abteilungsleiter von Hellas 09 Oranienbaum hat insgesamt acht afrikanische Flüchtlinge integriert. Sie kommen aus dem Ortsteil Vockerode. Und der Verein kümmert sich vorbildlich - hilft bei der Wohnungssuche, stößt aber auch an seine Grenzen.

"Die Asylbewerber wollen arbeiten, träumen von einem Job. Wir wollen auch helfen und vermitteln. Aber uns fehlt die Unterstützung", sagt Pfeifer. Ins Detail geht der Oranienbaumer nicht. Aber die Kritik richtet sich nicht an die Wirtschaft. Im nahen Dessora-Industriepark haben die Hellenen schon ein interessiertes Unternehmen gefunden, nur die bürokratische Hürden sind groß wie Mauern. Die Schelte mit der fehlenden Unterstützung richtet sich offensichtlich an die Politik und die Kreisverwaltung. Dagegen laufe es auf dem Rasen reibungslos. "Aber von Zuschauern bei Auswärtsspielen kommen schon mal dumme Sprüche", sagt Pfeifer. Nach seiner Kenntnis - bisher waren die Kicker im Fachverband Anhalt beheimatet - wurde das aber bisher nie im Spielprotokoll festgehalten.

Schiedsrichter stehen in der Pflicht

Muss er aber, sagt dazu Wittenbergs Schiedsrichter-Chef Peter Kein. Im elektronischen Formular gibt es einen Button rassistische Äußerungen. "Da muss dann Ja oder Nein angeklickt werden", sagt der Zschornewitzer, der darüber hinaus seine Referees zur Meldepflicht verdonnert hat. "Wenn so etwas passiert, will ich das sofort wissen", betont Kein. Allerdings muss der Referee auch schon während der Begegnung reagieren. "Der Schiedsrichter muss in einem solchen Fall den Kapitän des Gastgebers zu sich zitieren und auffordern, für Ordnung zu sorgen", so Kein, der zunächst eine Stadiondurchsage befürwortet, bevor weitere Sanktionen ausgesprochen werden.

Die Botschaft vor dem Saisonstart ist klar: Die Vereine stehen für ihre Fans und deren "dummen Sprüche" voll in der Verantwortung.

RÜCKBLICK

Probleme in Coswig und Piesteritz

Im Mai 2013 sorgte das Fußball-Kreisligaspiel zwischen den Reserven von Coswig und Rodleben für einen Polizei-Einsatz. Nach dem Spielabbruch ermittelte der Staatsschutz wegen "des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und Beleidigung mit politisch-motivierten Hintergrund". Im Fokus der Ermittler standen vier Spieler. Nach verbalen Entgleisungen mussten Spuckattacken und Fußtritte aufgearbeitet werden. Laut Polizeisprecher Maik Strömer kam es zunächst zu "einer Beleidigung eines kosovarischen Spielers aus Rodleben" und "in der Folge entwickelte sich eine größere Auseinandersetzung". Das gab es bis dato in Sachsen-Anhalt noch nie. Das Sportgericht reagierte und sprach lange Sperren aus. Zudem gab es ein Versöhnungsturnier.

Im November 2014 ereignete der bisher offizielle letzte Vorfall - beim Landespokalspiel zwischen dem FC Grün-Weiß Piesteritz und dem HFC. "Heimfans, die der rechten Szene zuzuordnen waren, beleidigten eingesetzte Polizeibeamte", so Strömer.