Sport muss wieder sexy sein
Presse Team, 29.11.2019

KOMMUNALPOLITIK Wittenberger Vereine üben harsche Kritik am Zustand der Anlagen und Hallen, sprechen von „tödlicher Bürokratie“ und von altbackenen Angeboten.
Sport muss wieder sexy sein
VON MICHAEL HÜBNER
WITTENBERG/MZ Natalie Ehrlich hat keinen Zweifel: „Wir müssen sexy sein!“ Das sagt die Pressesprecherin der Triathlon-Freunde bei der Premiere eines Sportdialogs, zu dem der Kreissportbund (KSB) die Vereine eingeladen hat. Die Kritikerin berichtet von ihrem ersten Eindruck, als sie in die Lutherstadt kam: „Die Angebote sind altbacken“. Wer aber Kinder und Jugendliche begeistern wolle, brauche einen starken Auftritt in den sozialen Medien. Laut der Triathletin präsentieren aber nur Victoria und TSG ihre Vereine ordentlich im Netz. Die KSB-Homepage stuft sie als „okay“ ein. „Das kostet kein Geld, aber Zeit“, so Ehrlich.
Finanzen werden aber trotzdem offensichtlich dringend benötigt. Olaf Kurzhals, Chef die Interessengemeinschaft Leichtathletik, erneuert seine Kritik am Zustand der Sportstätten, die sehen „dürftig aus“. Der TSG-Mann schlussfolgert: „Wittenberg hat den Anschluss verpasst.“ Diese harte Einschätzung relativiert er aber mit dem Wörtchen „teilweise“. Für Kurzhals ist langsam die Zeit des Redens vorbei. „Wir müssen den Anfang machen“, sagt er und verhehlt seine Sympathie für die Landwirte, die ihren Unmut mit einer Traktorenparade in Berlin kundtaten, nicht. Kurzhals, der eigene Demos zumindest noch nicht ankündigt, spricht sich für die Stärkung des Ehrenamts aus und sagt: „Sport braucht eine große Lobby“. Er bezeichnete den „bürokratischen Aufwand“ für Vereine als „Irrsinn“. Der Leichtathlet erhält dafür Unterstützung. „Bürokratie ist für den Sport tödlich“, wird bestätigt. Aber, das sagt Kurzhals, wer staatliches Geld erhalte, müsse damit ordentlich umgehen und abrechnen.
Damit hat Ulrich Kase als Schatzmeister beim FC Grün-Weiß Piesteritz keine Probleme. Er weist aber auf den schlechten Zustand des Kunstrasenplatzes im Volkspark hin. In einer Mitgliederversammlung seines Vereins, das erwähnt der Redner aber nicht, wurde sogar von Verletzungsgefahr für Kinder gesprochen. Kase erhält den Hinweis, dass die Europäische Union Plätze mit Granulat - so wie in Piesteritz und drei weiteren Orten im Kreis - sperren lassen will. „Granulat wird nicht mehr gefördert“, betont KSB-Präsident Uwe Loos, der das Thema der Sport-stättensanierung „auf der Agenda“ hat. Doch Kase lässt sich davon nicht beirren und berichtet noch von anderen Problemen, vom „Überfall von Kriminellen“ - gemeint sind Einbrüche nicht nur in das Piesteritzer Vereinsheim - und von einem abgefackelten Kleinbus. Der Experte, der von „Heckenschützen gegen das Ehrenamt“ spricht, empfiehlt Investitionen in die „Jugendarbeit und den Sport“.
Es geht aber nicht nur ums Geld. So wird von den „zwei Anbietern“ von Hallenzeiten - gemeint sind die Stadt- und die Kreisverwaltung - mehr Transparenz bei der Vergabe der Hallenzeiten und damit das „Ende der Geheimniskrämerei“ gefordert. Die MZ versuchte mit einem Vereinschef über diese Thema zu sprechen. Nach der MZ-Kontaktaufnahme soll er seinen Trainern ein Verbot erteilt haben, über das Thema mit der Presse zu reden.
Es gibt noch viel Diskussionsbedarf. Der KSB will nach Ankündigung von Geschäftsführer Daniel Gehrt die Sportdialoge, die Kurzhals lobt, mit Vertretern der Wirtschaft und eben auch der Politik fortsetzen. Wunderdinge müssen davon aber nicht unbedingt erwartet werden. Winfried Melzer hat als einstiger Vizepräsident des Landessportbunds nach eigenen Angaben zehn Jahre lang Gespräche mit den sportpolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen geführt. „Passiert ist nichts“, zieht er Bilanz.
Die Runde der Vereinsvertreter empfiehlt die Kontaktaufnahme zum Bundestagsabgeordneten Sepp Müller (CDU), der würde sogar der „Frau Merkel“ widersprechen. „Zuständig für die Kommunen ist das Land“, sagt der Politiker auf MZ-Anfrage. Nach seinen Angaben habe am Donnerstag der Bundestag bei der Haushaltsdebatte trotzdem 300 Millionen Euro auch für die Sanierung von Sportstätten in den Etat aufgenommen. „Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Müller, der deshalb „keine zu großen Hoffnungen wecken“ möchte. Nach seinen Angaben werden Milliarden bundesweit benötigt. Er werde sich weiterhin für den Sport einsetzen. Als Beispiel nennt er Bergwitz. Hier wird nicht nur nach Einschätzung vom ESV-Präsidenten Florian Gaul eine neue Sporthalle benötigt.
Die Vereine des Südkreises sind am Freitag zum Sportdialog nach Gräfenhainichen eingeladen. Die Veranstaltung in der Aula des Gymnasiums beginnt um 18 Uhr.
Mobil ist im März praktisch ausgebucht
Das Sportmobil ist nach Angaben von Daniel Gehrt, Geschäftsführer des Kreissportbunds (KSB), im März von früh bis spät ausgebucht. Allein 2019 haben 3 000 Kinder die 19 Angebote des Mobils - unter anderem Gokarts, Wasserballanlage, Kletterturm, Kriechtunnel oder die Outdoorspiele - in den Kindertagesstätten, in den Schulen, in den Horts oder bei Volksfesten genutzt. Der KSB hatte überraschend das Mobil zum 1. November außer Dienst gestellt. Die Entscheidung wurde im Pressegespräch damit begründet, dass für die geförderte Stelle eines Sportjugendpflegers, der sich um das Mobil kümmern soll, qualifiziertes Personal fehle. Der Landkreis fordert dafür den Abschluss als staatlich anerkannter Erzieher. „Wir haben zwei Varianten erarbeitet“, sagt Gehrt, der eine Entscheidung in den „nächsten 14 Tagen“ ankündigt. Das Pressegespräch von Ende Oktober wurde offensichtlich als Theaterdonner für die Verhandlungen mit dem Landkreis genutzt.
Quelle:MZ