Vereine gehen meist leer aus und müssen Talente gratis...
Presse Team, 29.07.2015

Jubel nur beim Profivertrag
FUSSBALL Vereine gehen meist leer aus und müssen Talente gratis ziehen lassen.
VON MICHAEL HÜBNER
GRÄFENHAINICHEN/MZ - Das ist der berühmte Stich ins Wespennest. Gräfenhainichens VfB-Präsidentin Cornelia Kuhnert hat für ihren Vorstoß viel Zustimmung, Ablehnung und Unverständnis erhalten. Die Vereine sollen laut der Fußballchefin der Heidestadt künftig eine finanzielle Entschädigung erhalten, wenn Nachwuchskicker in die Talenteliga oder zum DFB-Stützpunkt wechseln (die MZ berichtete).
"Die Frau hat mir aus der Seele gesprochen", sagt Mario Göttert, der seiner Amtskollegin "in allen Punkten" Recht gibt. Allerdings komme der Hilferuf zu spät. "Unsere besten Leute wechselten 2007 zum DFB-Stützpunkt nach Piesteritz", sagt der Bergwitzer. "So konnten die verbliebenen Spieler und Trainer nicht mehr motiviert werden", meint der Experte und ist sich sicher: "Die Kleinen sind die Opfer." - wie eben Bergwitz.
Ein paar Meter weiter in Kemberg gibt es Widerspruch. "Beim Nachwuchs geht es nicht ums Geld, sondern die Kinder sollen Spaß haben", sagt Frank Heise, der meint, wenn es ein Kicker schafft, höherklassig zu spielen, könne der ausbildende Verein stolz sein.
Das stimmt, bestätigen die Verantwortlichen in Prettin. Alexander Schicht hat sofort zwei Beispiele parat. Kevin Redlich - inzwischen in Diensten von Piesteritz - hat den Sprung zum 1. FC Magdeburg geschafft. Und auch der einstige Kapitän beim FC Grün-Weiß im Volkspark Tim Körnig - jetzt in Elster aktiv - hat in Prettin das Fußball-Abc erlernt. Für die kleinen Clubs gibt es die Anerkennung, mehr aber nicht. "So ist das Spiel", sagt Schicht. "Ich kann aber die Gräfenhainichener verstehen. Dort wird seit Jahren gute Nachwuchsarbeit geleistet", sagt der Prettiner.
Doch mit diesem Lob können keine Rechnungen bezahlt werden. Und das sei "ein generelles Problem", meint Thomas Kynast. Die Nachwuchsarbeit, die mit "horrenden Summen" finanziert werden müsse, werde immer komplizierter. Es gebe im Kreis, so formuliert es Kynast, "kleine Leuchttürme und kleine Vereine". Der Mann aus Elster meint: "Die Probleme müssen auf den Tisch." Er kennt die Situation. "Auch bei uns wurden schon junge Männer weg geholt. Denen wurde einfach der Himmel auf Erden versprochen", so Kynast. Doch schon bei der Formulierung der Forderung sehe er Schwierigkeiten. "Ablöse ist das falsche Wort. Das ist ein Begriff aus dem Profibereich", so Kynast.
Für Thomas Pielorz stellt sich eine ganz andere Frage. "Wer soll denn das bezahlen?", fragt sich der Chef von Victoria Wittenberg. "Wir müssen für alle möglichen Umlagen berappen. Vielleicht sollten die Mittel aus diesen Töpfen genommen werden", schlägt er vor.
"Kein Kommentar", sagt dazu Jana Kilian. Die Chefin des Jugendausschusses begründet ihr Schweigen. "Ich bin im Urlaub", sagt sie und beendet das Gespräch. Trotzdem ist die Botschaft des Kreisfachverbandes klar: Auch einem nackten Fußballer kann nicht in die Taschen gegriffen werden.
In Magdeburg beim Landesverband wundern sich die Verantwortlichen aber über die Debatte. Es sei alles geregelt. Die geforderte Ausbildungsentschädigung gebe es längst.
"Wer Kritik übt, sollte sich schon vorher belesen", empfiehlt Vizepräsident Olaf Glage. Nach seinen Angaben werden die Bundesligaclubs zur Kasse gebeten. Die Sache hat nur einen kleinen Haken. Der junge Spieler benötigt einen Profivertrag, dann kann auch der Heimatverein jubeln. So eine Karriere sei möglich, sagt Glage und verweist auf zwei Beispiele. Den Sprung in den bezahlten Fußball haben aus Sachsen-Anhalt der Ex-Wernigeröder Nils Petersen - der Freiburger Stürmer erzielte am Montagabend einen lupenreinen Hattrick in der Anfangsviertelstunde beim 6:3 gegen Nürnberg in der Zweiten Bundesliga - und der ehemalige Fortune aus Magdeburg Marcel Schmelzer (Dortmund) geschafft. "Die Ausbildungsvereine haben sechsstellige Summen erhalten", sagt Glage. Von Gräfenhainichen in die Champions-League? Unmöglich ist das tatsächlich nicht. Einst holte Felix Magath Steve Müller aus der Heide zum VfL Wolfsburg. Allerdings erwies sich das Topteam nicht besonders spendabel. Überwiesen wurden aus der VW-Stadt nach Gräfenhainichen exakt null Cent. Es fehlte zum großen Geld nur ein Schriftstück: eine Ausbildungsvereinbarung mit Müllers Zwischenstation, dem 1. FC Magdeburg. Ein sehr teuerer Fehler. Aber das ist lange her und liegt vor den Amtszeiten der gerade wiedergewählten Präsidentin Kuhnert.
"Wer Kritik übt, sollte sich schon vorher belesen."
Olaf Glage
Vizepräsident
REAKTION
Lehrgang ohne VfB?
VfB-Präsidentin Cornelia Kuhnert hat in ihrem Rundumschlag auch den Kreissportbund und die Landespolitik mit Kritik nicht verschont. Es sei schwierig, Trainer mit Lizenz zu gewinnen oder eine Lizenz zu erwerben. Das Interesse an gut ausgebildeten Übungsleitern sei in allen Sportarten groß, sagt dazu Rene Stepputtis vom Kreissportbund. Die Ausbildung sei sehr gefragt. Im September beginne der nächste Kursus zum Erwerb der C-Lizenz. Es gibt 50 Plätze. "48 Anmeldungen liegen uns bereits vor. Ein Interessent vom VfB Gräfenhainichen hat sich bisher nicht gemeldet", sagt Stepputtis. Der Sozialdemokrat glaubt auch nicht, dass bisher die Landespolitiker einen großen Bogen um den VfB Gräfenhainichen gemacht haben. "Uwe Loos war schon vor Ort", meint der Wittenberger. Loos ist der Präsident des Kreissportbundes und Abgeordneter der Linken im Landtag.
Quelle:MZ